Unterlagenvernichtung durch den Rechtsanwalt
Nach der Rechtsprechung des BGH kommen Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast in Betracht, wenn jemand einen Gegenstand vernichtet oder vernichten lässt, obwohl für ihn erkennbar ist, dass jenem eine Beweisfunktion zukommen kann, oder er dem Gegner auf sonstige Weise die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht. Eine entsprechende Regelung hat § 444 ZPO für bestimmte Fälle der Urkundenbeseitigung ausdrücklich getroffen. Dem darin enthaltenen Rechtsgedanken hat die höchstrichterliche Rechtsprechung einen allgemeinen beweisrechtlichen Grundsatz entnommen. Wer entgegen einer ihm obliegenden Rechtspflicht dem Gegner die Benutzung von zur Beweisführung benötigten Unterlagen schuldhaft unmöglich macht, darf im Rechtsstreit aus einem solchen Verhalten keine beweisrechtlichen Vorteile ziehen.
Vernichtet der rechtliche Berater Unterlagen, die ihm sein Mandant zur Erfüllung eigener Obliegenheiten aus dem Vertragsverhältnis überlassen hatte, auf deren Rückgabe der Mandant einen Rechtsanspruch hat und die er zur Beweisführung benötigt, trifft den Berater prozessual der Vorwurf seinem Mandanten die Benutzung dieser Unterlagen schuldhaft unmöglich gemacht zu haben.
Diese Pflichtverletzung wiegt besonders schwer, weil der rechtliche Berater einer vertraglichen Aufgabe zur Wahrung der Interessen seiner Mandantschaft zuwidergehandelt hat und ihm zudem mindestens grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Lässt sich nicht ausschließen, dass der Mandant bei ordnungsgemäßer Rückgabe der Unterlagen mit ihrer Hilfe den von ihm angebotenen Beweis hätte führen können, so geht die Ungewissheit über diesen Punkt zu Lasten des beklagten Rechtsanwalts, der seinem Mandanten den Beweis durch Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht unmöglich gemacht hat (BGH, Urteil vom 27. 9. 2001 - IX ZR 281/00).