Offenbarungspflicht über Mandatsbeziehung zum Gegner

Ein Rechtsanwalt hat offenzulegen, dass er oder ein anderes Mitglied seiner Sozietät den Gegner der Person, welche ihm ein neues Mandat anträgt, häufig in Rechtsangelegenheiten vertritt, und zwar unabhängig davon, ob ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zu dem neuen Mandat besteht.

Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Als unabhängiges Organ der Rechtspflege hat er die Aufgabe, sich um sachgerechte Konfliktlösungen zu bemühen, vor Gericht zu Gunsten seines Mandanten den Kampf um das Recht zu führen und diesen möglichst vor Fehlentscheidungen zu seinen Lasten zu bewahren. Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus. Davon geht jeder Rechtsuchende aus, der einem Rechtsanwalt die Schließung eines Anwaltsvertrags anträgt. Nimmt der Anwalt das Mandat an, erklärt er aus verobjektivierter Sicht des Mandanten, auf die es ankommt, diesen Anforderungen gerecht werden zu wollen, also seine Bereitschaft, fortan die Interessen des Mandanten ohne Rücksicht auf die gegenläufigen Interessen der anderen Seite umfassend zu vertreten.

Wird ein Anwalt oder dessen Sozius häufig für eine bestimmte Partei tätig, kann aus der Sicht anderer Mandanten fraglich sein, ob die entgegengesetzten eigenen Interessen mit gleichem Nachdruck vertreten werden wie gegenüber einem dem Anwalt völlig gleichgültigen Gegner. Häufige Aufträge derselben Partei können zu wirtschaftlicher Abhängigkeit oder zu einer besonderen Identifizierung mit deren Angelegenheiten führen und die Fähigkeit des Anwalts, sich in der gebotenen umfassenden, nur den Interessen des Auftraggebers verpflichteten Art und Weise für einen Gegner der Partei einzusetzen, beeinträchtigen. Ob der Anwalt selbst sich in der Lage sieht, die ihm aus einem Anwaltsvertrag obliegenden Pflichten trotz der Mandatsbeziehungen zum Gegner uneingeschränkt zu erfüllen, ist dabei nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Sieht er Schwierigkeiten, wird er die Übernahme des Mandats ablehnen. Aber auch wenn er sich die Übernahme des Mandats zutraut, muss er die Tatsache der häufigen Mandate des Gegners offenlegen. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrags besteht regelmäßig die Verpflichtung, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sein können . Häufiges Tätigwerden für den Gegner ist aus den genannten Gründen ein derartiger Umstand. Der Anwalt kann den Hinweis mit der Erklärung verbinden, dass die Aufträge des Gegners keinen Einfluss auf ihn hätten und der sachgerechten Bearbeitung des Mandats nicht im Wege stünden, wenn er sich dessen sicher ist. Der Mandant kann sich dieser Einschätzung anschließen und den Auftrag erteilen. Er muss jedoch in die Lage versetzt werden, die Entscheidung, ob er einen häufig für den Gegner tätigen Anwalt mandatieren will, eigenverantwortlich und rechtzeitig zu treffen. Da er in aller Regel nicht wissen wird, welche anderweitigen Mandate der Anwalt hat, muss dieser die erforderlichen Hinweise auch ungefragt geben (BGH, Urteil vom 08.11.2008 – IX ZR 5/06).